Vergeblicher
Versuch, mit einem Verwandten ins Gespräch zu kommen
Anschlag auf dem
Reichsbahn-Bahnhof Caputh-Geltow
Z
i r k u s
Ein schlechtes Geschäft!
Der Clown ein Vielfraß,
der Löwe asthmatisch,
die Trommel geplatzt.
Ludmilla
hängt schief am Trapez.
Ein Auftritt von Ihnen,
mein Herr,
könnte vielleicht
mich noch retten.
Hätten Sie Lust ?
Sie fehlen seit Jahren
in meinem
Programm.
Ein Lasso kaufen,
nach Texas fliegen,
der Wurf.
Dann üben
zu Haus:
im Wohnzimmer
rund um den Tisch,
der Sprung über die Couch.
Auch
hätt` ich die Treppe zu meistern.
So,
denk` ich,
wären die Nachbarn endlich
bereit,
Eintritt zu zahlen
in meinem
Zirkus.
Erinnerungskugeln
aus Farben gemacht -
schon lange vorbei.
Auch: Worte murmeln,
für keinen bestimmt.
(O, mein nicht vorhandener
Bart !)
Vor seiner Tür
das Murmeltier
pfeift
auf alle Worte.
Die Stadt, in der ich nie
gewesen bin.
Am Marktplatz steht ein
Kiosk,
dort gibt es allen Schnee
der Welt zu kaufen.
Im Rathaus sitzt der alte
Bürgermeister
und läßt aus seinem Bart
das Nordlicht blühn.
Durch alle Kneipen schäumt
das Meer
und schüttelt Muscheln in
verriffte Bootsmannskehlen.
Die Seehundsflossen wedeln,
wenn meine Freundin kommt.
hat die Pantoffeln in den
Schrank geworfen
?
Wer
hat den Kamm in das
Zahnglas gestellt
?
Wer
hat die Gabel in den Kasten
für Messer gelegt ?
Wer
hat die Nadel in das
Sofa gesteckt
?
Ich glaube, hier ist
irgend
etwas
nicht
in Ordnung.
Ich glaube, hier ist
irgendeiner,
der stört.
Wenn ich ihn finde -
bestimmt:
ich werde mich
mit ihm
befreunden.
Unangenehm ist,
aufs Rad geflochten zu
sein.
(Aber tun Sie mal etwas dagegen !)
Es gibt eben Dinge,
die sind,
wie sie sind.
Das Beste: Wir sprechen
nicht weiter davon.
Mein Zimmer grenzt oft an
Ägypten:
ein Vorteil
ein Nachteil.
Wenn der Wüstensturm
weht: ein Nachteil.
Habe ich Lust, auf
Pyramiden
zu sehen: ein Vorteil.
Auch ziehe ich Nutzen
aus dem Wasser
des Nils.
Mit den Sphinxen bin ich
noch nicht
im reinen
(später vielleicht).
Doch empfinde ich viel
Sympathie
für Kamele:
Ich bewundere
ihre Geduld.
Manchmal sehe ich drüben auch
Menschen.
Doch verstehe ich nicht,
was sie reden.
Vermutlich sind es
Ägypter.
Nach einem unbestätigten
Gerücht
wurde Friedrich der Zweite
von Preußen
auf einem Eßtisch gezeugt.
(Sein Vater – so heißt es –
war voll des süßen Weines.)
Der junge Goethe schrieb
seinen „Werther“
an einem Schreibtisch,
während er später
- wie noch später auch
Rilke – ein Stehpult vorzog.
(Doch das ist hier nicht relevant.)
Bei Konferenzen sitzt man
an langen
Verhandlungstischen, manchmal
an runden auch,
und einmal hat man sich
lange gestritten,
ob lang oder rund.
(Währenddessen
fielen noch Zehntausend in
dem Krieg,
den man am Tisch beenden
wollte.)
Rouladen werden auf
Küchentischen gemacht.
Auch wird dort Gemüse
geputzt, Kartoffeln werden geschält,
und Brot wird geschnitten.
Doch manchmal
kommt auch nichts auf den Tisch – es
gibt solche Zeiten,
da kann man nichts machen.
Aber dann wiederum, eines
Tages:
der Gabentisch.
Soviele Tische gibt`s
auf der Welt
mit sovielen
Zwecken.
Manche werden zu Altären
erhöht,
das Abendmahl wird an ihnen
gereicht.
An einem kleinen bunten
Tisch
habe ich schreiben gelernt:
das A, das B und das C.
Ich habe gesehen
-
gestern
im Zoo -
im Freizeitgehege für
Frauen:
eine Frau.
Sie lag in der Sonne
und schnupperte träg
am Kopf einer Rose.
Nur das Zucken der Nase
verriet (wie man so sagt),
daß sie
lebte.
Die Menge verharrte
in sicherem Abstand.
Ich hatte Konfekt
in der Tasche.
doch stand auf der Tafel:
Füttern verboten!
Kein Laut von der Frau.
Nur einmal ein Knurren:
als ihr der Wärter
die Rose entriß.
*
Demnächst
-
so
heißt es -
wird ihr
zwecks Erhaltung der Art
ein Gentleman aus Paris
zugeführt.
Da nun die Flaschen fast leer sind
da in den Schalen der Abfall sich häuft
da nun das Licht in den Lampen
fahl wird und der Tag
durch die Ritzen und Risse hereinkriecht
zu uns
da diese ihr Haar wieder
ordnet
und jene glattstreicht ihr Kleid
da dieser quer auf der
Couch liegt
und jener dort auf dem
Teppich
da die Köpfe nun Blei sind
und die Bäuche gebläht:
kocht jetzt den Kaffee
bringt uns die Mäntel
und ruft nach den Taxis !
Wir haben gehabt
was wir wollten -
wir rufen gelegentlich
an.
Worte
purzeln mir
aus der Hand.
Ich bücke mich, sie
aufzuheben.
Doch schon
hat sie der Hund gefressen,
der große Hund, den
meine Freundin hat, um
mich zu ärgern.
Herr Redakteur:
Ich kann das Gedicht, das
Sie wünschen,
nicht liefern.
Gedichte
werden aus Worten
gemacht -
doch meine Worte hat
der Hund gefressen, der
große Hund,
den meine Freundin hat.
S c h l e c
h t e r W i n t e r
Morgens die klopfenden
Schritte
auf dem von der Nacht noch
schläfrigen Pflaster,
eilig,
hierhin und dorthin,
die Lichter der Wagen
verstummen.
Gewohnheit desselben
Bordsteins,
den Damm überquerend;
der gelbe Pfahl,
wo die anderen schon
warten.
Die Luft schmeckt nach
Unlust.
Noch immer kein Schnee.
Du mußt
die Tropfen zählen.
Es hört nicht auf,
eh das Ergebnis
stimmt.
Wir Schreiber,
wir Schelme:
ein X für ein U.
Und dann noch Tantiemen.
Zweimal sechs Kreuze pro
Woche,
dazu die Hoffnung auf
Zusatz:
Ich führe ein Lottoleben.
Mein letztes Gedicht
besteht
aus 29 Wörtern.
das sind ca. 3 % mehr
(=1 Wort),
als das vorletzte
hat;
6% mehr,
als jenes
vom Vergleichsmonat des
Vorjahrs
enthält.
Das Wachstum ist unübersehbar.
gibt es bekanntlich
nur mitten im Sommer,
so in den Monaten Juli,
August -
oder zweifeln Sie etwa daran ?
Schnee
wird grundsätzlich
schneeweiß erzeugt und so
in den Handel gebracht.
Doch dunkelt er leider bei
längerem Gebrauch.
Gelegentlich kommt es auch
vor,
daß er schmilzt.
Wir werden das ändern.
Schnee
besteht aus Schnee,
aus nichts als Schnee.
Darum nennt man ihn Schnee.
Alles andere
wird anders genannt.
Manchmal
macht man Männer aus
Schnee.
Diese haben den Vorzug,
Schneemänner
zu sein.
Sind S i e
ein Schneemann ?
Na also !
In meiner Jugend gab es
viel mehr Schnee
als heutzutage.
Alle reden vom Wetter.
Wir nicht.
Reden wir also vom
Wetter.
Wie meine, bitte,
der Herr ?
Ach -
nichts Besonderes.
Mir geht es nur
um ein wenig
Kon
ver
sa
tion.
Ich gehe
du gehst
er geht
sie geht
es geht.
Geht es ?
Danke - es geht.
G u t e
r R a
t
Ich habe dir schon immer
gesagt:
Du sollst kein Öl auf Gemeinplätze
schütten.
Du verlängerst den Bremsweg
deiner
Ideen.
Man kann nicht gerade
behaupten,
daß wir lebten
wie er.
Bis auf
die Insel
(die kennen wir alle);
bis auf
den Ausguck,
oben,
in den Zweigen der Palme,
das Glas
fest an die Augen gepreßt;
bis auf
die Schanzen
rund um das Haus
(geladen und
nach allen Seiten gerichtet
sind die Gewehre);
bis auf den Ruf
in der Nacht.
Die Insel
der Ausguck
die Schanzen
der Ruf in der Nacht -
im übrigen
aber:
Man kann nicht gerade
behaupten,
daß wir lebten
wie er.
S c h n e e i
n d e r
S t a d t
der Schnee
ist in der Stadt kein
Schnee.
Der Schnee
ist in der Stadt der dumme
August,
der immerzu sich schmutzig
macht;
der Fremde,
auf den sie losgehn mit den Schaufeln;
das Kind,
das sich verlaufen hat
und nun an allen
Straßenecken
weint.
Der Schnee wird nächstens
von der Polizei
verboten.
D e r W e i h n a
c h t s m a n n
Er wohnt in Groß-Köcknitz,
Bahnstraße acht.
Die Rente
reicht gerade für Zimmer
und Küche,
das tägliche Bier
und sonntags eine Zigarre.
Doch ist er im ganzen
nicht unzufrieden:
Er wird geschätzt als
ruhiger Nachbar,
bis auf die Füße
ist er gesund.
Machmal besuchen ihn
Kinder.
Denen erzählt er
die alten Geschichten,
holt den Mantel hervor,
zeigt schmunzelnd die Rute.
Sie hören ihm zu
und zupfen ihn heimlich
am Bart,
ob der auch echt ist.
Sonst spricht er nur wenig.
Wenn Schnee liegt,
sitzt er lange am Fenster.
Am Heiligen Abend
ist er allein.
H
a v e l s c h i f f a h r t
Am Abend
steuern alle Boote das
Schilf an
und schaukeln die
Morsezeichen der Liebe:
navigare necesse est.
Ich vermute: Es ist
in die Sonne verliebt.
Jeden Abend
haben die beiden was miteinander.
(Wenn auch nur selten
ganz ohne Wolken.)
N a t i o n a l e
G e m e i n s a m k e i t
Wenn "Derrick"
vorbei war,
rauschten
im ganzen nächtlichen
Deutschland
die Wasserklosetts:
Ein Volk trat aus.
A n l ä ß l i c h
d e r B e g r ü n u n g d es H
o f e s d e s
H a u s e s J e n
a e r S t r . 8, 1 0 7 1 7 B e r l i n
Hoffentlich
kriegen wir mal auf dem Hof
etwas Grünes –
sagte der Rentner
im dritten Stock des linken
Seitenflügels.
Ein Engel hörte es
und gab die Worte
weiter.
Nun
blühen neben der Teppichstange
zwei Rosen.
Farn
neigt sich
am zersprungenen Zementweg.
Sogar ein Bäumchen
wächst hervor.
Und übern Drahtzaun klettern
blattgelockte runde Ranken.
Wir sehen es und
reiben uns die Augen:
War Flora
selber hier am Werke?
Ach, wahrscheinlich
war es nur die Hausverwaltung,
die einem Gärtner ihren
Auftrag gab.
Doch laßt
mich denken:
Flora war`s!
Im Morgengrauen gestern
schien es mir,
ich sah sie auf der Teppichstange
balancieren.
V e r g e
b l i c h e r V e r s u c h, m i t e i n e m
V e r w a n d t e n
i n s G e s p r ä c h z u k
o m m e n
Er sitzt und sieht mich
an.
Ich sage: Bonjour,
alter Freund !
Oder verstehst du nur Englisch ?
Er sitz und
sieht mich
an.
Ich sage: Banane ?
Und halte ihm eine entgegen.
Ganz langsam
langt er durchs Gitter.
Ich sage: Laß sie dir schmecken !
Er reißt sie auf und beißt hinein.
Ich sage: Na ?
Er sitzt und kaut und sieht mich
an.
Ich sage: Ich heiße Philipp.
Und du ? Wie heißt du
?
Er sitzt und kaut und sieht mich
an.
Ich weiß: Er heißt Bobby
(es steht auf der Tafel)
und kommt aus Guinea.
Ich sage: Bobby !
Wie gefällt dir`s
bei uns ?
Er sitzt, wischt sich den Mund und
sieht mich
an.
Ich sage: Nun mach doch mal was !
Sei nicht so stur !
Da ist deine Kugel,
da ist dein Trapez,
da ist auch dein Fahrrad.
Schließlich habe ich Eintritt bezahlt !
Er sitzt und sieht mich
an.
Ich hebe die Hand.
Zeig` auf die Kugel,
zeig` auf das Trapez,
zeig` auf das Fahrrad.
Ich schnalze.
Ich schneide Grimassen.
Ich sage: Gib wenigstens Pfötchen !
Er sitzt und sieht mich
an.
Ich gebe es auf.
Wende mich ab,
geh` weiter.
Dreh` mich noch einmal um.
Er sitzt und sieht mir
nach.
So ein Affe !
Dr. Schneider drückt einen Schalter
und macht den Himmel.
("Es schienen so golden die
Sterne...")
Er hebt seinen Lichtpfeil und spricht.
Es gibt Sterne, die feststehn
(scheinbar),
und es gibt Sterne, die wandeln.
Heut läßt er
den Jupiter wandeln.
Wandeln im Frühling,
wandeln im Sommer,
wandeln im Herbst.
Und auch noch im Winter
Er läßt die
Monde Jupiters kreisen,
stoppt sie,
setzt sie wieder in Gang.
Gesellt die Venus dazu,
den Pluto, den Mars.
Der ganze Himmel gehorcht
seinem Wink.
Dr. Schneider ist ein Zauberer,
ist Jupiter selbst.
Wenn er nur wollte:
Gleich
würde es donnern und blitzen.
Wie muß er
sich fühlen !
*
Ist der Vortrag vorüber,
fährt Dr. Schneider nach Hause,
setzt sich in seinen Sessel
und zündet das Fernsehen an.
Er freut sich wie ein Kind:
Gleich
kommt die Lindenstraße.
Einst Höhlen
später das Strohdach
der Schiefer
Jetzt in die Wolken
gewachsen:
Menschenspeicher
nicht mehr zu
zählen
Ich hier
du dort
Zum Glück
gibt`s Telefon
L e i s t u n g s v e r w e i g e r u n g
Ich fahre im Bus.
Alle Plätze besetzt.
Wer jetzt noch einsteigt,
muß stehen.
Eine Dame steigt ein,
immer noch jung
und
s e h r attraktiv.
Jetzt steht sie vor mir,
mustert mich kühl.
Ich will das Ziel der Klasse
nicht mehr erreichen:
Ich bleibe sitzen.
Ich rede.
Ich rede mit mir selber.
Ich rede mit anderen.
Ich höre andere mit anderen reden.
Ich lausche.
Was reden andere,
wenn sie mit anderen reden
?
Wie reden sie ?
Reden sie,
wie ich,
wenn ich mit mir selber rede,
rede ?
Oder reden sie so,
wie ich mit anderen rede
?
Ich lausche.
Das Ergebnis bleibt
unklar.
Haare in der Suppe,
Locken im Brei,
ein ganzer Zopf in dem Gemüse -
wer hat uns das nur
eingebrockt ?
Frau Wirtin, gehen Sie doch mal
in die Küche und sehen Sie nach,
ob da der Klabautermann kocht.
Wir haben das starke Gefühl:
Es stimmt etwas nicht
in Ihrem Lokal !
Der Klabautermann ist es nicht ?
Also liegt es an der Bedienung
?
Oder vielleicht an uns
selbst ?
Gleichviel: Wir brauchen dringend
Abhilfeschaffung.
Fragen Sie bitte bei der Auskunft an
(eins - eine - acht - acht),
wer da zuständig ist.
Der Bäcker, das Brot
dazu noch der Kuchen.
Das tägliche Brot
der tägliche Kuchen
täglich
zum Bäcker.
Als er sechsundzwanzig Jahre alt wurde,
beschlossen
seine Eltern, ihm keine Unterstützung
mehr zuteil
werden zu lassen.
Au backe !
Kein Bäcker, kein Brot.
Au backe, kein Kuchen
!
Da sagte er sich: Was soll`s ?
Was der Mensch braucht,
muß er haben.
Und nahm sich das Brot
und nahm sich den Kuchen
au backe
täglich beim Bäcker.
Das ging solange, wie`s
ging. Als er aber zum dritten
Male Ärger mit der Polizei bekam, hatte
er´s satt.
Und buk sich selber sein Brot
sich selber den Kuchen
täglich sein Brot
täglich den Kuchen
und wurde ein Bäcker.
Die Feuerwehr ist es nicht,
die die Brände löscht.
(Die Brände erlöschen von selbst.)
Die Feuerwehr ist es
vielmehr,
die die Brände legt !
Doch das ist ein Geheimnis,
über das man nicht laut
sprechen darf -
es sei denn
unter
Feuerwehrleuten.
N a c h s a i s o n
a m H a f e n v o n
L i s t
Auf
reißt sein Maul das
Fährschiff,
als wolle es die ganze
Insel Sylt verschlingen.
Aber der Brocken ist zu
groß.
Es muß
ihn liegenlassen
und schluckt nur ein paar
Autos,
die ohnehin zuviel sind.
Im übrigen:
zehn bunte Buden,
als wär`
das ganze Jahr lang
Jahrmarkt an dem deutschen
Nordpunkt;
ein paar Boote,
schaukelnd auf dem Wasser,
welches steigt;
Gedenkstein für die ersten Weltumflieger,
die von hier gestartet,
und Glühwein, Grog und Luckner (Graf).
Eisig der Nordwind,
der die Bucht des Königshafen kämmt
und Menschen beißt, die
nicht recht wissen,
warum sie hergekommen sind.
Und auch ein Bus aus
München friert
und reibt sich seine kalten
Reifen.
Wir stehn
und schaun.
Von fern der Ellenbogen,
auf dem noch Geister
wohnen,
die niemand mehr beschwört:
Baden verboten -
Lebensgefahr !
B e r l i
n, B a y e r i s c h e r P l a t z
I
So viel Tauben heut
auf dem Bayerischen Platz !
Als wollten sie den
Grassamen
plündern, den der Bezirk
hat ausstreuen lassen.
Aber das kluge Gartenbauamt
hat einen Rentner mit
Klingel
bestellt - der klingelt die
Tauben
hinweg.
Nun kreisen sie ratlos
über dem Platz
wie die Gedanken eines
beim Dichten gestörten
Dichters.
II
(im Winter)
So viele Möwen heut
über dem Bayerischen Platz
!
Als wär
er ein Hafen,
jedes Auto ein Schiff, das
einläuft
und Essensreste abläßt,
die schnappen sie dann im
Sturzflug
aus trübe bewegten
eiskalten Wassern.
Wirklich: Die Luft riecht
nach Teer und nach Salz,
die kahlen Äste der Bäume
sind Taue, die auf Anleger
warten.
Wir stehen am Kai,
versuchen, die Möwen zu
zählen -
unzählbar sind sie
wie Schnee.
A n s c h l
a g a u f d e m
R e i c h s b a h n - B a h n h o f
C
a p u t h - G e l t o w (1 9 9 2 )
Fahrkarten gibt es hier
nicht.
Die nächste
Fahrkartenausgabe:
Haltepunkt Schwielowsee (1 km entfernt).
Sie können den Zug aber
auch
ohne besteigen
und melden sich dann beim
Begleitpersonal.
Mich, den Fahrdienstleiter
(auch Stationsvorsteher
genannt),
gibt es hier ebenfalls seit
zweiundzwanzig Jahren
nicht mehr.
Der türlose Eingang zu
meinem Dienstraum
ist durch Spinnengewebe
versperrt,
das wirklich beachtenswert
ist.
Wir haben aber auch noch
anderes zu bieten:
zum Beispiel zwei Bänke,
die voll
im Sonnenlicht stehen,
und eine herrliche Ruhe.
Genießen Sie diese
und lassen Sie sich nicht
stören,
wenn einer der wenigen Züge
hier hält !
(Es steigt ohnehin kaum
jemand ein oder aus.)
Der Kürbis dort in dem
Garten,
hinter den Bänken,
wird nicht mehr geerntet,
der hängende Zaun nicht
mehr repariert.
Das kletternde Grün am
Signalmast
bleibt.
Und - wie erwähnt - die
Ruhe.
Wir sind zwar kaum noch ein
Bahnhof,
jedoch ein Stück Paradies.
(Bezetwe:
ein Biotop.)
N e u m o n d ü b
e r L a n z a r o t e
Die Sichel schwimmt im
Himmel
wie eine Barke im Wasser:
waagrecht,
nicht schräg wie bei uns.
(Du verstehst schon: die
andre Perspektive
der südlicheren Breite.)
Auch alle Sterne sind
verschoben.
Nur der Wind,
er rührt die Wedel der
Palmen
und weht wie überall.
Was wollen wir hier ?
Warum nicht bleiben
unter dem gewohnten Bild ?
Dem Mond ist es gleich,
den Sternen gleich,
von wo wir sie sehen.
Dort drüben schwebt ein
Schiff durch die Nacht:
Lichter vom Bug bis zum
Heck
und aus den Kabinen.
Wir werden den Kapitän der
Funk befragen,
ob er wohl weiß,
warum man reist.
N o c
h i m m e
r
Neulich abends um sieben
gab es plötzlich kein Meer
mehr.
Quelle surprise,
Madame !
Wir wollten baden,
im Dunkeln baden,
aber das Wasser war weg.
Was tun ?
Wir setzten und nieder am
Strand,
am Ehemals - Strand,
und warteten ab.
Die Nacht stieg herauf,
die Sterne, der Mond -
kein Wasser.
Der Morgen kam,
der neue Tag -
kein Wasser.
Und wieder die Nacht
und wieder der Tag
und wieder und wieder und
wieder -
kein Wasser.
So sitzen wir nun auf dem
Trocknen
(wie lang` eigentlich schon ?),
noch immer zum Baden
bereit.
Über ihn wurde schon vieles
gesagt.
Ich schließe mich meinen
Vorrednern
an.